Der Südsudan leidet unter langfristigen politischen, inter-ethnischen und kommunalen Konflikten und einer schwachen Rechtsstaatlichkeit. Die Lage im Südsudan ist weiterhin die größte Flüchtlingskrise in Afrika. Nach Angaben des UN-Generalsekretärs „bleibt der humanitäre Bedarf aufgrund von Konflikten, Vertreibungen, Wetterschocks, COVID-19 und einer geschwächten Wirtschaft sowie eingeschränkter Grundversorgung hoch“.
Abgesehen von kurzen und fragilen Friedenspausen ist der Südsudan seit vielen Jahren meist ein Schlachtfeld oder Schauplatz zyklischer Feindseligkeiten. Im Jahr 2013, zwei Jahre nach der Unabhängigkeit des Südsudan vom Sudan, brach erneut ein Bürgerkrieg aus. Infolge dieses Bürgerkriegs kamen schätzungsweise 383,000 Südsudanesen ums Leben. Darüber hinaus gab das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) bekannt, dass im Dezember 2018 etwa 5,7 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigten.
Der Südsudan ist Afrikas größte humanitäre Krise die auch die vom Krieg betroffenen ostafrikanischen Länder belastet, die viele der aus dem Land geflohenen Flüchtlinge aufgenommen haben. Darüber hinaus gibt es im Land über 1,6 Millionen Binnenvertriebene (IDPs), außerdem beherbergt der Südsudan fast 320.000 Flüchtlinge aus dem Sudan und anderen Ländern.
Die zwei Millionen Flüchtlinge, die vor dem Bürgerkrieg im Südsudan geflohen sind, befinden sich hauptsächlich in Uganda und im Sudan, mit kleineren Populationen in Äthiopien, Kenia und der Demokratischen Republik Kongo. Jetzt will die südsudanesische Regierung dass sie vor den Wahlen, die für 2023 geplant sind, nach Hause zurückkehren. Einige humanitäre Helfer befürchten jedoch, dass eine Rückkehr riskant sein könnte, da die Gewalt im ganzen Land trotz der Friedensabkommens von 2018 und der anschließenden Bildung einer Regierung der nationalen Einheit weiter aufflammt. Es besteht auch die Befürchtung dass Regierungsbeamte mit der Rückkehr beabsichtigen demografische Mehrheiten für ihre Wahlkreise aufzubauen und gleichzeitig sicherzustellen dass oppositionelle Gruppen vertrieben bleiben.
Präsident Salva Kiir und der wichtigste Oppositionsführer Riek Machar haben zwei Friedensabkommen unterzeichnet: das erste am 23. Januar 2014 und das zweite am 21. Dezember 2017. Das Abkommen zur Einstellung der Feindseligkeiten 2017 hat zwar zu einer Verringerung der Gewalt zwischen Kiir und Machar Loyalisten beigetragen. Die Vereinten Nationen haben jedoch in den Jahren 2020 und 2021 mehrere Verstöße gegen das Abkommen gemeldet. Darüber hinaus wenden die Vertragsparteien auch weiterhin Gewalt gegen Zivilisten an, unter anderem für Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit.
Zwischen September 2018 und März 2021 sind mindestens 241,390 Südsudanesen spontan zurückgekehrt, vor allem aus Uganda, Sudan, Äthiopien und Kenia. Umfragen und Bewertungen, die vom UN Flüchtlingswerk (UNHCR) und Partnern mit spontanen Rückkehrern durchgeführt wurden, zeigen, dass schwierige humanitäre Bedingungen und der fehlende Zugang zu sozialen Diensten und Lebensgrundlagen in Asylländern zu den Entscheidungen von Flüchtlingen zur Rückkehr beitragen können. Umfragen bei Rückkehrern zeigen auch dass viele dauerhaft im Südsudan bleiben wollen, sich an ihrem derzeitigen Aufenthaltsort sicher fühlen, und eine gute Beziehung zu ihren Gastgebergemeinden pflegen möchten.
Das Friedensabkommen hat weitreichende Reformen eingeleitete die die die Grundlagen für einen zukunftsfähigen modernen Staat schaffen sollen. Der Übergang soll ein Prozess sein durch den verschiedene Neuformulierungen und Reformen von Politik und Gesetzen erfolgen sowie verschiedene staatliche Institutionen umstrukturiert und eine neue Verfassung eingeführt werden. In diesem Sinne stellt es ein Instrument für Staatsreformen dar und steht beispielhaft für einen Übergang zur Demokratie der von Wahlen geleitet wird, die 60 Tage vor dem Ende der Übergangszeit (ursprünglich ca. Februar 2022) stattfinden sollen. Das Abkommen umfasst die Beschleunigung der würdevollen Rückkehr und Wiedereingliederung von gewaltsam vertriebenen Mitgliedern der südsudanesischen Gesellschaft (sowohl Geflüchtete als auch Binnenvertriebene) sowie die Wiederherstellung einer kompetenten und unabhängigen Nationalen Wahlkommission zur Durchführung freier, fairer und glaubwürdiger Wahlen vor dem Ende des Übergangsphase.
Der Übergang verläuft jedoch alles andere als reibungslos, und die bisherigen Fortschritte waren sehr langsam und problematisch. Im Lauf der Monate hat die Übergangsregierung die meisten der angestrebten Ziele des Friedensabkommens nicht erreicht. Es gab mehrere Terminüberschreitungen, Verstöße gegen vereinbarte Bestimmungen und verzögerte Umsetzungen. Dies hat die südsudanesischen und internationalen Interessengruppen zunehmend frustriert und Zweifel an der Zukunft des aktuellen Abkommens und der Aussicht auf Wahlen aufkommen lassen, die eigentlich bis Dezember 2022 stattfinden sollten.
Darüber hinaus berichtet UNHCR von düsteren Aussichten und einer schwierigen Existenz vieler Rückkehrer, von denen mindestens 70 % nicht an ihren früheren Wohnsitz zurückkehren konnten. Gleichzeitig erlebte der Südsudan im Jahr 2020 seinen bisher schlimmsten wirtschaftlichen Abschwung. Aufgrund der COVID-19-Pandemie brach der Ölpreis – die wichtigste Einnahmequelle des Landes – ein, was den Wert des südsudanesischen Pfunds abwertete und die Inflation erhöhte. Die Ölproduktion des Südsudan sank von etwa 250 000 Barrel pro Tag auf etwa 170 000 Barrel pro Tag im März 2020 und war bis Ende Oktober 2020 weiter auf 165 000 Barrel pro Tag gesunken.
Schwierige humanitäre Bedingungen verschlimmern die finanziellen Schwierigkeiten des Landes weiter. Beispielsweise sind etwa 700,000 Menschen in 34 Landkreisen von Überschwemmungen betroffen. Aufgrund der eskalierenden interkommunalen Gewalt im Zusammenhang mit Viehdiebstahl und Racheangriffen wurden viele Zivilisten getötet und Tausende weitere zur Flucht getrieben. Dazu kommen Angriffe auf humanitäre Helfer und ein fast vollständiger Stopp der freiwilligen Rückkehr von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen. Darüber hinaus litt die Region unter einer Heuschreckeninvasion, und Prognosen zufolge würden 5,5 Millionen Südsudanesen ohne humanitäre Hilfe hungern.
Im Januar 2021 schätzten die Vereinten Nationen, dass im Laufe des Jahres 8,3 Millionen Menschen im Südsudan auf humanitäre Hilfe angewiesen sein würden, was mehr als 70 % der Bevölkerung des Landes (12,1 Millionen Menschen) entspricht. Für die Hungersaison Mitte 2021 wurde geschätzt, dass 7,2 Millionen Menschen (60% der Bevölkerung) mit einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert sein würden. Im Juni 2021 war der Südsudan mit der höchsten Ernährungsunsicherheit und Unterernährung seit der Unabhängigkeit konfrontiert. Der Anteil der Menschen, die unterhalb der internationalen Armutsgrenze (1,90 US-Dollar pro Tag) leben wird für 2021 auf 78,2 Prozent geschätzt.
Kinder sind von der humanitären Situation am schwersten betroffen; das UN Kinderhilswerk UNICEF schätzt, dass 2021 4,4 Millionen Kinder humanitäre Hilfe benötigten, während 1,4 Millionen Kinder an akuter Unterernährung litten. Im Jahr 2020 gingen 2,8 Millionen Kinder garnicht zur Schule (verglichen mit 2,2 Millionen im Jahr 2018), während weitere 4,2 Millionen Schüler Berichten zufolge aufgrund von COVID-bedingten Einschränkungen keine Schule besuchten.
Der Bürgerkrieg hat die Art und Weise wie die Südsudanesen ihr Land bewohnen massiv verändert, sodass ein einfaches Modell der Rückkehr – bei dem die Menschen einfach in ihre alte ländlichen Heimat zurückkehren – schwer vorstellbar ist. Der Krieg hat die Urbanisierung beschleunigt da die Menschen zunehmend von Märkten und Lohnarbeit abhängig sind, während Probleme mit Landbesetzung und allgemeine Unsicherheit die Aufrechterhaltung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft erschwert haben. Humanitäre Hilfswerke müssen daher damit rechnen, dass Menschen nicht immer an einen einzigen Ort zurückkehren. Stattdessen verteilen sich Familien auf verschiedene Gebiete um den Zugang zu Ressourcen unter extrem schweren Bedingungen zu maximieren.
Eine Frau und ihre Familie waten durch eine überflutete Ebene um ihr Haus in Thaker im Bundesstaat Unity im Südsudan zu erreichen. (WFP/Gabriela Vivacqua)
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